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08.01.2024

Praxistipp: Was man als Bauherr über die Abnahme von Bauleistungen wissen sollte.

von Prof. Dr. Johannes Handschumacher 

Bei der Abwicklung von Bauvorhaben ist die „Abnahme“ der entscheidende Dreh-und Angelpunkt. Die folgenden 10 Hinweise sollten Sie in jedem Fall beachten.

  1. Was ist die Abnahme?

Die Abnahme von Bauleistungen ist in § 640 BGB geregelt. Im Bauvertrag selbst werden noch weitere Regelungen über die Abnahme getroffen, z.B. dass eine Abnahme förmlich, also schriftlich zu erfolgen hat. Hierauf sollte der Bauherr unbedingt bestehen. Die Abnahme ist definiert, als die Entgegennahme der beauftragten Werkleistungen durch den Bauherrn. Ist die Leistung nicht mit wesentlichen Mängeln behaftet, so muss der Bauherr die Abnahme erklären, wenn der Bauunternehmer dies verlangt. Sind wesentliche Mängel vorhanden, kann der Bauherr die Abnahme berechtigt verweigern. Der Bauunternehmer bleibt weiter zur Erfüllung verpflichtet.

  1. Welche rechtlichen Wirkungen hat die Abnahme?

Erklärt der Bauherr gegenüber dem Bauunternehmer die Abnahme, so hat dies zahlreiche rechtliche Wirkungen.

  1. a) Mit der Abnahme wechselt der Bauvertrag vom Erfüllungs- ins Gewährsleistungsstadium. Der Bauherr kann nach der Abnahme dann nur noch Gewährleistungsansprüche für Mängel geltend machen, die bei der Abnahme nicht erkennbar waren, aber bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren auftreten. Weitere Leistungen kann der Bauherr nicht mehr verlangen.
  2. b) Mit der Erklärung der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängel, die gemäß § 634a Abs. 1 Ziff. BGB bei Bauwerken fünf Jahre beträgt. Während der Verjährungsfrist bleibt der Bauunternehmer zur Mangelbeseitigung verpflichtet.
  3. c) Zudem findet eine Beweislastumkehr für das Vorhandensein von Mängeln statt. Bis zur Abnahme ist der Bauunternehmer für die Mangelfreiheit seiner Leistungen beweisbelastet. Mit Abnahme ist der Bauherr für das Vorhandensein von Mängeln in der Beweispflicht.
  4. d) Mit Erklärung der Abnahme wird gemäß § 641 BGB der Werklohnanspruch des Bauunternehmers fällig. Er ist berechtigt, die Schlussrechnung zu stellen und den Restwerklohn, unter Abzug der bereits geleisteten Abschlagszahlungen, einzufordern. Weitere Abschlagszahlungen kann er nicht verlangen.
  5. e) Schließlich geht mit der Abnahme die Gefahr des zufälligen Untergangs der erbrachten Leistungen bzw. deren Verschlechterung, z.B. durch Brand oder Sabotage, vom Bauunternehmer auf den Bauherrn über. Mit der Abnahme ist der Bauherr also auch verantwortlich, dass die Bauleistungen in ausreichendem Maße versichert sind.
  6. f) Nimmt der Bauherr ein mangelhaftes Werk ab, obwohl er eventuelle Mängel kennt, so stehen ihm die Gewährleistungsrechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen der Mängel bei der Abnahme vorbehalten hat.

 

  1. Welche Abnahmeformen gibt es?

Es gibt drei gesetzlich bzw. von der Rechtsprechung vorgesehene Abnahmeformen

  1. a) förmliche Abnahme

Haben die Parteien eine förmliche Abnahme vereinbart, so hat diese schriftlich zu erfolgen. Dies erfolgt mit einem Abnahmeprotokoll, in dem alle wesentlichen Punkte aufgelistet sind, insbesondere diejenigen Mängel, die beim Abnahmetermin erkennbar sind (siehe Ziff. 4.).

  1. b) konkludente Abnahme

Damit eine Abnahme wirksam ist, bedarf es nicht unbedingt einer Schriftlichkeit. Die Abnahme kann auch konkludent durch den Bauherrn erfolgen, also durch tatsächliche Handlungen, die den Bauunternehmer darauf vertrauen lassen, dass der Bauherr seine Leistungen als im Wesentlichen vertragsgemäß entgegengenommen hat. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Bauherr in sein Haus einzieht, ohne Mängel zu rügen oder ohne Vorbehalt die Schlussrechnung bezahlt.

  1. c) Seit der Reform des Bauvertragsrechts Anfang 2018 ist auch die sogenannte fiktive Abnahme gesetzlich in § 640 Abs. 2 BGB geregelt. Als abgenommen gilt danach eine Bauleistung auch, wenn der Bauunternehmer dem Bauherrn nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Bauherr die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Bauherr ein Verbraucher, so hat das nur rechtliche Folgen, wenn der Bauunternehmer den Bauherren zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme schriftlich auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat.
  1. Welche Förmlichkeiten sind bei der Abnahme zu beachten?

Bei einer förmlichen Abnahme müssen die Parteien grundsätzlich ein Abnahmeprotokoll aufsetzen. Da es sich bei der Abnahme um eine einseitige Erklärung des Bauherrn handelt, sollte dieser das Protokoll aufsetzen. Im Protokoll sind die Parteien aufzunehmen, welche Leistungen im Einzelnen abgenommen werden, ob es sich um eine Gesamtabnahme, um eine Teilabnahme oder sogar nur um eine „technische Abnahme“ handelt. Insbesondere sind eventuelle Mängel oder noch nicht erbrachte Leistungen aufzuführen. Hierüber müssen die Parteien kein Einvernehmen herstellen. Es genügt, dass der Bauherr entsprechende Vorbehalte ins Protokoll aufnimmt, um seine Gewährleistungsrechte zu wahren. Das Protokoll ist von beiden Parteien zu unterzeichnen. Weigert sich der Bauunternehmer, z.B. aufgrund der aufgeführten Mängel dies zu tun, so ist dies unschädlich, ebenso wie seine Unterschrift, weil er damit die vom Bauherrn behaupteten Mängel oder fehlenden Leistungen nicht anerkennt. Der Bauunternehmer kann das Protokoll natürlich entsprechend ergänzen. Schließlich ist eine eventuell verwirkte Vertragsstrafe ausdrücklich vorzubehalten, da ansonsten ein Vertragsstrafenanspruch nach Abnahme nicht mehr geltend gemacht werden kann (siehe Ziff. 9.).

 

Baurecht

 

  1. Wie verhält es sich, wenn eine der Parteien nicht zum Abnahmetermin erscheint?

Falls der Bauunternehmer trotz Aufforderung nicht zum Abnahmetermin erscheint, ist dies unschädlich. Der Bauherr kann die Abnahme alleine durchführen. Das Abnahmeprotokoll sollte er dem Bauunternehmer nachweisbar übermitteln und ihm gleichzeitig eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen. Selbiges  gilt natürlich auch, wenn er die Abnahme wegen wesentlicher Mängel verweigert. Erscheint der Bauherr zum Abnahmetermin nicht, obwohl der Bauunternehmer die Fertigstellung mitgeteilt und ihn zur Abnahme aufgefordert hat, so ist dies spätestens als Abnahmeverweigerung zu werten, wenn der Bauherr auch einer weiteren Aufforderung nicht nachkommt. Der Bauunternehmer kann dann auch ohne Abnahme seinen Restwerklohn schlussrechnen und einklagen. Ob der Bauherr berechtigterweise die Abnahme verweigert hat, wird im Prozess über den noch ausstehenden Werklohn geprüft.

  1. Muss der Bauherr abnehmen, auch wenn die Baumaßnahmen noch nicht beendet sind?

Der Bauherr kann die Abnahme auch verweigern, wenn die beauftragten Leistungen noch nicht fertiggestellt sind. Wesentliche Mängel und das Fehlen wesentlicher Leistungsteile werden dann gleich behandelt. Hat der Bauunternehmer dennoch die Fertigstellung mitgeteilt, so kann der Bauherr, z.B. um über das Bauwerk verfügen zu können, auch die unfertige Leistung unter Vorbehalt der noch fehlenden Leistungsteile abnehmen (sog. Vorwegabnahme). Eine Abnahme vor der Mitteilung der Fertigstellung durch den Bauunternehmer (sog. aufgedrängte Abnahme) kann der Bauherr hingegen nicht durchführen und so die Abnahmewirkungen herbeiführen.

  1. Wie sollte der Bauherr im Einzelnen verfahren, wenn beim Abnahmetermin noch Mängel vorhanden sind?

Wenn Mängel bei der Abnahme erkennbar sind, müssen diese im Einzelnen im Protokoll aufgeführt werden. Die jeweiligen Mängel sollten nach Lage, Erscheinungsbild und Ausdehnung möglichst genau beschrieben werden. Eine fachliche Korrektheit ist dabei nicht erforderlich. Sinnvoll ist es, die Mängel fotografisch zu dokumentieren und diese Unterlagen dann als Anlage zu protokollieren. Zudem ist es nicht notwendig, mögliche Ursachen der Mängel zu benennen oder gar weitergehende Untersuchungen vorzunehmen. Es genügt die Beschreibung der  „Mängelsymptome“. Ob ein Mangel bei der Abnahme erkennbar war und somit vorbehalten werden muss, richtet sich danach, was einem in Bauangelegenheiten unerfahrenen Bauherrn möglich ist, zu erkennen. Bautechnischen Sachverstand muss der Bauherr nicht zwingend hinzuziehen. Sinnvoll ist es aber schon. Sind Mängel vorhanden, sollte dem Bauunternehmer im Protokoll eine angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt werden. Bei einer Fristversäumnis kann der Bauherr die Mängel selbst beseitigen und hierfür einen Kostenvorschuss verlangen.

  1. Was passiert, wenn die Abnahme „vergessen“ wird?

Wird eine verlangte oder vereinbarte förmliche Abnahme nicht durchgeführt, so kann dies nach einer gewissen Zeit als nachträglicher Verzicht gesehen werden. Das ist z.B. so, wenn der Bauunternehmer die Schlussrechnung übersandt hat und der Bauherr mehrere Monate lang keine förmliche Abnahme verlangt. Dem ist auch so, wenn der Bauherr die Schlussrechnung bezahlt hat, der Bauherr auf die Schlussrechnung und Mahnungen nicht reagiert oder, wenn weder Mängel gerügt noch eine förmliche Abnahme verlangt werden. Entscheidend ist der Zeitablauf. Wie lange dieser sein muss, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Allerdings dürften einige Wochen nicht ausreichen, um einen Verzicht auf die förmliche Abnahme zu unterstellen.

  1. Muss eine Vertragsstrafe bei der Abnahme vorbehalten werden?

Wie bei erkennbaren Mängeln muss sich der Bauherr auch eine, eventuell wegen Fristversäumnis, verwirkte Vertragsstrafe ausdrücklich bei der Abnahme im Protokoll vorbehalten. Ein unmittelbar vor oder nach Abnahme erklärter Vorbehalt genügt in der Regel nicht. Das hat zur Folge, dass der Bauherr gemäß § 341 Abs. 3 BGB seinen Anspruch auf eine Vertragsstrafe verliert. Dies gilt nicht, wenn er nicht zuvor ausdrücklich mit seinem Anspruch auf die Vertragsstrafe gegen einen Werklohnanspruch des Bauunternehmers aufgerechnet hat und dieser dadurch bereits erloschen ist.

  1. Kann man eine Abnahme anfechten?

Eine Anfechtung der Abnahmeerklärung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB ist grundsätzlich möglich. Der Bauherr muss aber die arglistige Täuschung konkret für jeden einzelnen Mangel dargelegen und nachweisen. Das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB ist umstritten, da § 634 a Abs. 3 BGB ausdrücklich vorsieht, dass die Verjährungsfrist bei Arglist sich nach den allgemeinen Reglungen des BGB richtet, d.h. erst mit Kenntnis des Bauherrn beginnt. Eine Irrtumsanfechtung gemäß § 119 BGB wegen des Vorhandenseins von Mängeln, den Fertigstellungsgrad oder eine Abnahmeverpflichtung kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

 

Kontakt

Prof. Dr. Johannes Handschumacher

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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