Claudia Pechstein beweist nicht nur auf dem Eis bemerkenswerte Ausdauer. Nach 13 Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen um ihre Doping-Sperre aus dem Jahr 2009 hat sie nun vor dem Bundesverfassungsgericht einen Erfolg errungen (Beschluss vom 2. Juni 2022 – 1 BvR 2103/16). Das Bundesverfassungsgericht hält die Schiedsklausel, die Frau Pechstein anlässlich ihrer Meldung zur Mehrkampfweltmeisterschaft akzeptieren musste und mit der die Schiedsgerichtsbarkeit des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) in Lausanne unter Ausschluss der staatlichen Gerichte vereinbart worden war, für nichtig, weil die Verfahren vor dem CAS nicht den durch das Grundgesetz garantierten rechtsstaatlichen Maßstäben genügten. Die Statuten des CAS sehen ausschließlich nicht-öffentliche Verhandlungen vor. Nach Art 6 Abs. 1 EMRK gehört aber zu den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren der Zugang der Öffentlichkeit zu den Gerichtsverhandlungen.
Der Gesellschaftsrechtler fühlt sich gleich an die Entscheidungen des BGH zur Nichtigkeit von Schiedsklauseln zu Beschlussmängelstreitigkeiten erinnert: Auch dort hatte der BGH damit argumentiert, dass die Schiedsklauseln gegen rechtsstaatliche Mindeststandards verstießen, wenn in ihnen nicht bestimmte Verfahrensregeln enthalten seien („Schiedsfähigkeit II bis IV“). Der Unterschied ist jedoch, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) durchaus anerkannt hat, dass ein freiwilliger Verzicht auf Zugang zu den ordentlichen Gerichten im Rahmen der Vertragsfreiheit nicht gegen Art. 6 EMRK verstoße. Im Fall der Sportgerichtsbarkeit handele es sich aber um eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit, weil die Athleten zur Ausübung ihres Berufs gezwungen seien, die Schiedsklauseln zu akzeptieren. Und die Verfahrensordnung des CAS sah ausdrücklich die Nichtöffentlichkeit vor. Die Gewährleistung eines Verfahrens, das rechtsstaatlichen Anforderungen genügte, war daher aufgrund der Verfahrensordnung – nicht aufgrund der Schiedsklausel – ausgeschlossen. In den „Schiedsfähigkeits“-Fällen des BGH verhielten sich die Schiedsklauseln gerade nicht zum Verfahren und die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze war durch die einfachen, im Schiedsverfahren anzuwendenden Gesetze abgesichert. Der BGH verlangt in seinen Entscheidungen, dass diese Regeln auch noch einmal in der Schiedsklausel abgebildet werden. Umso erstaunlicher ist, dass sich der BGH – wenn auch der Kartellsenat und nicht der sonst für Schiedsverfahrensrecht zuständige I. Senat – hier vom Bundesverfassungsgericht aufheben lassen musste.|Claudia Pechstein beweist nicht nur auf dem Eis bemerkenswerte Ausdauer. Nach 13 Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen um ihre Doping-Sperre aus dem Jahr 2009 hat sie nun vor dem Bundesverfassungsgericht einen Erfolg errungen (Beschluss vom 2. Juni 2022 – 1 BvR 2103/16). Das Bundesverfassungsgericht hält die Schiedsklausel, die Frau Pechstein anlässlich ihrer Meldung zur Mehrkampfweltmeisterschaft akzeptieren musste und mit der die Schiedsgerichtsbarkeit des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) in Lausanne unter Ausschluss der staatlichen Gerichte vereinbart worden war, für nichtig, weil die Verfahren vor dem CAS nicht den durch das Grundgesetz garantierten rechtsstaatlichen Maßstäben genügten. Die Statuten des CAS sehen ausschließlich nicht-öffentliche Verhandlungen vor. Nach Art 6 Abs. 1 EMRK gehört aber zu den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren der Zugang der Öffentlichkeit zu den Gerichtsverhandlungen.
Der Gesellschaftsrechtler fühlt sich gleich an die Entscheidungen des BGH zur Nichtigkeit von Schiedsklauseln zu Beschlussmängelstreitigkeiten erinnert: Auch dort hatte der BGH damit argumentiert, dass die Schiedsklauseln gegen rechtsstaatliche Mindeststandards verstießen, wenn in ihnen nicht bestimmte Verfahrensregeln enthalten seien („Schiedsfähigkeit II bis IV“). Der Unterschied ist jedoch, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) durchaus anerkannt hat, dass ein freiwilliger Verzicht auf Zugang zu den ordentlichen Gerichten im Rahmen der Vertragsfreiheit nicht gegen Art. 6 EMRK verstoße. Im Fall der Sportgerichtsbarkeit handele es sich aber um eine Zwangsschiedsgerichtsbarkeit, weil die Athleten zur Ausübung ihres Berufs gezwungen seien, die Schiedsklauseln zu akzeptieren. Und die Verfahrensordnung des CAS sah ausdrücklich die Nichtöffentlichkeit vor. Die Gewährleistung eines Verfahrens, das rechtsstaatlichen Anforderungen genügte, war daher aufgrund der Verfahrensordnung – nicht aufgrund der Schiedsklausel – ausgeschlossen. In den „Schiedsfähigkeits“-Fällen des BGH verhielten sich die Schiedsklauseln gerade nicht zum Verfahren und die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze war durch die einfachen, im Schiedsverfahren anzuwendenden Gesetze abgesichert. Der BGH verlangt in seinen Entscheidungen, dass diese Regeln auch noch einmal in der Schiedsklausel abgebildet werden. Umso erstaunlicher ist, dass sich der BGH – wenn auch der Kartellsenat und nicht der sonst für Schiedsverfahrensrecht zuständige I. Senat – hier vom Bundesverfassungsgericht aufheben lassen musste.