Nicht nur Auftraggeberinnen und Auftraggeber haben in der Regel wenig Freude an der Durchführung von Vergabeverfahren, auch die bietenden Unternehmen setzen ihre knappen Ressourcen lieber anderweitig ein. Der Bieter möchte in erster Linie den Auftrag bzw. den Zuschlag erhalten, nicht ein Angebot erstellen. Das Angebot ist für die Unternehmen oft ein notwendiges Übel, welches in Kauf genommen werden muss.
Damit Auftraggebende trotzdem nach Möglichkeit zahlreiche interessante und attraktive Angebote erhalten, sind bei der Gestaltung und Durchführung eines Vergabeverfahrens einige wichtige Dinge zu beachten. Dabei handelt es sich nicht um vergaberechtliche Finessen, sondern – frei nach Kant – um Fragen der praktischen Vernunft.
Potenzielle Bieter haben regelmäßig wenig Zeit und Lust Angebote zu erstellen. Je schwerer der Auftraggeber es den Bietern macht, desto eher geben diese auf und verzichten auf die Erstellung eines Angebots. Wichtig ist es daher, potenziellen Bietern durch eine klare Gliederung der Vergabeunterlagen die Möglichkeit zu geben, schnell und auf einen Blick alles Wichtige zu erfassen. Hilfreich ist hier ein Verfahrensleitfaden, in dem die wesentlichen Aspekte des Beschaffungsvorhabens zusammengefasst sind. Dieser orientierende Leitfaden sollte nach Möglichkeit folgende Angaben enthalten:
Auch wenn Auftraggebende die einschlägigen Formblätter aus den Vergabehandbüchern verwenden, ist ein orientierender Leitfaden immer hilfreich. Vielen Formblättern mangelt es häufig an der Übersichtlichkeit.
Rechtliche Regelungen, Ergänzungen oder Hinweise sollten nicht, womöglich sogar versteckt, in das Leistungsverzeichnis integriert werden. Das Leistungsverzeichnis beschränkt sich optimalerweise auf die technischen Anforderungen und ermöglicht die Verbreitung der einzelnen Positionen. Hinweise, Zitate oder Bezugnahmen auf Bestimmungen der VOL/B oder der VOB/B sind dort weder zielführend noch hilfreich.
Natürlich können Auftraggebende zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bieters die Vorlage von Bilanzen und Jahresabschlüssen verlangen. Die spannende Frage ist jedoch, wer liest diese Unterlagen und wer versteht sie? Gerade bei Leistungen, bei denen nicht der Auftraggeber in Vorleistung tritt, sondern das Entgelt erst zu zahlen ist, wenn der Bieter seinerseits seine Leistung erbracht hat, sollten die Anforderungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht überspannt werden. In der Regel reicht es aus, sich einen Überblick über die Jahresumsätze der letzten drei Jahre zu verschaffen.
Auch Auszüge aus dem Handelsregister können eine spannende Lektüre sein. Allerdings zieht der Auftraggeber in 99 % der Vergabeverfahren aus der Forderung nach Vorlage von Handelsregisterauszügen keinen Mehrwert. Zudem können Auszüge aus dem Handelsregister nunmehr kostenfrei online unter https://www.handelsregister.de eingesehen werden.
Grundsätzlich kann der Auftraggeber dem Bieter und seinen Angaben vertrauen. Dies wird genau so in der Rechtsprechung formuliert. Sofern nicht aus bestimmten Gründen erforderlich, sollte sich der Auftraggeber auf die Forderung von Eigenerklärungen beschränken. Forderungen nach einer Vielzahl von Unterlagen und Dokumenten, womöglich noch im Original, zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe sind allenfalls ein geeignetes Mittel die Anzahl der Bieter drastisch zu reduzieren.
Dabei wird oft verkannt, dass der Auftraggeber sich vorbehalten kann, Eigenerklärungen durch vorzulegende Dokumente und Unterlagen auf Anforderung zu untersetzen. Hat der Auftraggeber belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben in der Eigenerklärung des Bieters unzutreffend sind, kann er diesen Aspekt ohne weiteres im Rahmen der Angebotswertung aufklären. Kann der Bieter dann keine überzeugende Erklärung abgeben, verbleibt für den Auftraggebenden die Möglichkeit des Ausschlusses des Bieters.
Bekanntlich müssen Angebote, die bezuschlagt werden, vollständig sein. Eine Herausforderung, die im ersten Anlauf nur den wenigsten Bietern gelingt. Hier kann der Auftraggeber unterstützen, indem er die Anzahl und den Umfang der beizufügenden Dokumente und Erklärungen auf das Wesentliche beschränkt. Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass der Auftraggeber fehlende Unterlagen und Dokumente nachfordern kann. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Bieter, die auf Nachforderung die Unterlagen nicht nachreichen, sind zwingend vom Verfahren auszuschließen. Gerade im Baubereich machen sich dies Unternehmen zunutze, denen ihr günstiger Angebotspreis im Nachhinein reut. Dieses Risiko kann der Auftraggeber minimieren, wenn er die Vorlage von Dokumenten und Unterlagen „unter Vorbehalt“ stellt. Dies bedeutet, dass die Dokumente und Unterlagen nur dann dem Angebot bei der abschließenden Wertung beigefügt sein müssen, wenn dies der Auftraggeber so verlangt. Diese Vorbehaltsklausel ermöglicht es dem Auftraggeber, im gewissen Umfang nachzusteuern.
Auch im Vergaberecht gilt der Grundsatz: Weniger ist oft mehr. Vor Veröffentlichung einer Bekanntmachung sollten die zuständigen Stellen beim Auftraggeber erfragen, ob sie selbst Lust hätten, sich durch Ausfüllen der Vergabeunterlagen am Verfahren zu beteiligen oder jemandem aus der Fachabteilung bitten, ein Proforma-Angebot zu Testzwecken zu erstellen. Aus dieser Reaktion lässt sich schnell erkennen, ob man auf einem richtigen oder auf dem Holzweg ist.
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