Befristung zur Vertretung – Vertreter darf nicht vollständig ausfallen

Ist ein zur Vertretung eines anderen Mitarbeitenden eingestellter Beschäftigter schon bei Abschluss der Befristung voraussichtlich für den gesamten Zeitraum der Befristung erkrankt oder fällt aus sonstigen Gründen aus, steht dies dem Sachgrund der Befristung „zur Vertretung einen anderen Arbeitnehmers“ entgegen.
Das LAG Niedersachsen legt den Unternehmen jedoch mit dieser klaren These aus einem aktuellen Urteil ((Urteil vom 11. Mai 2023, Az. 5 Sa 27/23) – gerade für Urlaubsvertretungen in den anstehenden Sommerferien – neue Prüfungspflichten auf. Denn ein solcher Fall kann schnell versehentlich passieren.

Dies verdeutlich der entschiedene Sachverhalt: Ein Paketzusteller war wiederholt mit dem Sachgrund der „Vertretungsbefristung“ befristet beschäftigt gewesen. Kurz vor Auslaufen der letzten Befristung verletzte sich der Mitarbeiter durch ein herabfallendes Paket schwer. Trotz eines Nabelbruches und der Notwendigkeit einer Operation attestierte der behandelnde Arzt jedoch zunächst nur die übliche „voraussichtliche Dauer“ einer Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen. Das Unternehmen verlängerte daher die Befristung um einen weiteren Monat. Sachgrund sollte die Vertretung für verschiedene Urlaubsabwesenheiten sein.

Aus Sicht des LAG Niedersachsen war diese Befristung aber unwirksam: Da der Mitarbeiter das Unternehmen über die Schwere der Arbeitsunfähigkeit informiert habe, sei es „vollkommen lebensfremd“, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats an seinem Arbeitsplatz zurückzuerwarten sei. Das Unternehmen hätte hier sicheres Wissen von einer – mindestens mehrwöchigen – Dauererkrankung haben müssen. Bei einem solchen Wissen bestehe aber keine Möglichkeit sich auf den Befristungsgrund der Vertretung zu berufen. Denn die hierfür notwendige Kausalität zwischen dem Ausfall des vertretenden Mitarbeitenden und dem erhöhten Arbeitsbedarf als Grund für die befristete Einstellung fehle, wenn der „Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages völlig sinnlos sei, weil der Zweck, den der Sachgrund der Vertretung verfolgt, nämlich die Aufgabenwahrnehmung des vertretenen Arbeitnehmers durch den befristetet eingestellten Vertreter, nicht einmal ansatzweise erfüllt werden kann.“

Also Obacht: Sollen Mitarbeitende nur für einen kurzen Zeitraum zu Vertretung befristet beschäftigt werden, muss bei Abschluss der Befristung sichergestellt sein, das dem Unternehmen keine längerfristige Arbeitsunfähigkeit bekannt ist. Um hier spätere Probleme zu vermeiden, sollte die Personalabteilung bzw. Geschäftsführung diese Information ggf. zuvor bei den jeweils vorgesetzten Stellen zur Sicherheit abfragen. Dies gilt auch, wenn geplant ist, die Befristung später noch zu verlängern und der Krankheitszeitraum nur zur „Sicherung“ des Mitarbeitenden dienen soll. Besteht die Gefahr eines die gesamte Befristungsdauer andauernden Ausfalles, muss die Befristung ausgesetzt oder – wenn der dahinterstehende Grund es zulässt – sogar verlängert werden.

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Kristian Glowe
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