Dies ist der 2. Beitrag unsere Serie zur Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL). In unserem ersten Beitrag haben wir Ziele und Maßnahmen der ETRL grob eingeordnet. In diesem Beitrag behandeln wir Informationspflichten gegenüber Beschäftigten und den Auskunftsanspruch der Beschäftigten
Die Entgelttransparenzrichtlinie gibt bereits Vorgaben für den Bewerbungsprozess. Art. 5 Abs. 1 ETRL verpflichtet Arbeitgebende Bewerber bereits im Laufe des Bewerbungsprozesses proaktiv, also unabhängig davon, ob die Bewerber danach fragen, über das auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne zu informieren. Sollte es einen einschlägigen Tarifvertrag geben, ist auch über die darin enthaltenen einschlägigen Bestimmungen zu informieren. Diese Informationen müssen den Bewerbern von Anfang an zur Verfügung stehen. Damit soll ein Wissensgefälle vermieden und eine faire Verhandlung sichergestellt werden. Im Gegenzug sieht Art. 5 Abs. 2 ETRL vor, dass die Bewerber nicht nach ihrer Entgeltentwicklung in ihren laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen befragt werden dürfen. Diese Verpflichtungen treffen jeden Arbeitgebenden unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten.
Auskünfte, die Arbeitgebende erteilen müssen, bestehen nicht nur während des Bewerbungsprozesses, sondern auch im Lauf des Arbeitsverhältnisses. Der Auskunftsanspruch der Beschäftigten wird durch die ETRL im Vergleich zum bereits aktuell geltenden Auskunftsanspruch aus § 10 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erheblich verschärft. Der Auskunftsanspruch, den Art. 7 ETRL vorsieht, sieht – anders als § 10 EntGTranspG – eine Mindestanzahl an Beschäftigten als Voraussetzung des Auskunftsanspruchs nicht mehr vor. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin hat das Recht, über ihre individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittlichen Entgelthöhen informiert zu werden, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmenden, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Dazu kommt auch, dass Arbeitgebende jährlich über das Auskunftsrecht informieren müssen. Hierfür müssen detaillierte individuelle Entgeltdaten gesammelt werden (Grundgehalt und alle variablen/ergänzenden Bestandteile), Geschlechtsdaten aller Arbeitnehmenden und Daten, die eine Identifizierung und Gruppierung von Arbeitnehmenden ermöglichen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten (z.B. durch Arbeitsplatzbeschreibungen, Anforderungsprofile oder Ergebnisse von Arbeitsbewertungsmethoden). Eine zahlen- oder zeitmäßige Begrenzung des Auskunftsanspruchs sieht die ETRL nicht vor.
Für noch mehr Transparenz bestimmt die Richtlinie außerdem, dass Arbeitnehmende nicht daran gehindert werden dürfen, ihr Entgelt offenzulegen. Die Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen ergreifen, um solche Vertragsbedingungen zu verbieten. Das bedeutet also, dass Vertragstexte unbedingt auf solche Geheimhaltungsbestimmungen überprüft werden müssen.
Fazit: Es ist damit zu rechnen, dass sich die Anzahl der von Beschäftigten geltend gemachten Auskunftsansprüche nach Umsetzung der ETRL erheblich vergrößern wird. Die internen Prozesse müssen auf die Auskunftsansprüche angepasst und eine geeignete Datengrundlage vorbereitet werden. Nach der ETRL müssen die Auskünfte binnen einer angemessenen Frist gegeben werden, die keinesfalls länger als 2 Monate sein darf. Ohne Vorbereitung wird diese Frist nicht eingehalten werden können.
Der Bewerbungsprozess muss angepasst, Einstiegsvergütungen Bewerbern mitgeteilt, Fragen nach der bisherigen Vergütung vermieden werden. Bestimmungen in Vertragsmustern, die zur Verschwiegenheit über das Entgelt verpflichten, müssen gestrichen werden.
Die Änderungen bergen verschiedene Herausforderungen für Unternehmen. Sie bieten jedoch auch Chancen. Transparente Gehaltsangaben bieten die Möglichkeit, sich als attraktive und faire Arbeitgebende zu positionieren.
Autoren: Karsten Matthieß (Fachanwalt für Arbeitsrecht) und Hanna Rehbein (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
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