Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in diesem Jahr gleich zwei grundlegende Entscheidungen im Zusammenhang mit virtuellen Anteilsoptionen getroffen, die bei der Ausgestaltung von Beteiligungsprogrammen künftig zu berücksichtigen sind. Auch Unternehmen mit schon existierenden Beteiligungsmodellen sollten diese auf ihre Rechtswirksamkeit überprüfen.
Wenngleich die Gestaltungsmöglichkeiten vielfältig sind, sehen Beteiligungsprogramme in der Regel vor, dass Mitarbeitern das Recht eingeräumt wird, bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses – häufig der Unternehmensverkauf, Börsengang oder ähnliche Änderungen der Anteilseigentümer – ihre virtuelle oder echte Beteiligungsoption auszuüben und mit dem daraus resultierenden Zahlungsanspruch an der Wertsteigerung des Unternehmens teilzunehmen.
Die Optionsrechte müssen sich die Mitarbeiter zuvor meist über einen gewissen Zeitraum “erdienen” (sog. Vesting Period), häufig verbunden mit einer gewissen Warteperiode (sog. Cliff). Das bedeutet, dass beispielsweise 50 % der (virtuellen) Anteilsoptionen nach anfänglichem Cliff von zwei Jahren und dann jeweils weitere 25 % pro Jahr erdient werden.
Ergänzend finden sich meist Regelungen für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet. Sie differenzieren nach dem Grund, aus dem ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, und führen im Ergebnis dazu, dass entweder nur die noch nicht gevesteten Optionen verfallen (Good Leaver) oder sogar alle Rechte (d.h. auch die bereits gevesteten) ersatzlos erlöschen (Bad Leaver).
Bisherige Rechtslage
Aufgrund einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 (BAG, Urteil vom 28. 5. 2008 – 10 AZR 351/07) wurden derartige Anteilsoptionen bislang von der Rechtsprechung – arbeitgeberfreundlich – nicht wie klassische Vergütungsbestandteile behandelt. Ihnen käme im Gegensatz dazu ein spekulativer Charakter zu und es handele sich deswegen nicht um eine gesicherte Vergütung, sondern lediglich eine Erwerbschance. Mit dieser Argumentation wurden Vesting-Klauseln wie auch Good- und Bad-Leaver-Regelungen bislang großzügig als zulässig behandelt.
Entscheidung:
In Abkehr davon hat das BAG (Urteil vom 19.3.2025 – 10 AZR 67/24) bereits erdiente Optionen und die mit ihnen verbundene Chance auf eine Teilhabe an der Wertsteigerung des Unternehmens jetzt als Gegenleistung für die in der Vesting-Periode erbrachten Arbeitsleistungen des Mitarbeiters eingeordnet. Dem steht auch der bisher übliche Einschub in Beteiligungsprogrammen, dass die gevesteten Optionen gerade keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen, nicht entgegen. Bei dieser Beurteilung benachteiligt eine Klausel, die zum vorschnellen Verfall der Optionsrechte führt, den Mitarbeiter unangemessen.
Mit dieser Argumentation hat das BAG zwei Regelungen in einem virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsprogramm eine ausdrückliche Absage erteilt:
Auswirkungen für die Praxis:
Die Unwirksamkeit derartiger Klauseln hat zur Folge, dass der ausgeschiedene Mitarbeiter seine Optionsrechte behält. Tritt – gegebenenfalls auch erst Jahre nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters – ein Ausübungsereignis ein, würde sogar der Bad Leaver an der möglicherweise erheblichen Wertsteigerung des Unternehmens partizipieren.
Das bedeutet aber kein generelles Ende von Verfallklauseln in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. Kann der Einsatz des ausgeschiedenen Mitarbeiters keinen Einfluss mehr auf den Unternehmenswert bei Eintritt eines Ausübungsereignisses haben, ist weiterhin ein Verfall wirksam vereinbar. Denkbar sind auch alternative Gestaltungswege, die ein “endloses” Fortbestehen erdienter Optionen vermeiden. Hier kommt es zukünftig auf eine differenziertere Ausgestaltung der Verfallklauseln unter Berücksichtigung der vom BAG aufgestellten Kriterien an.
Noch offen ist die Bedeutung dieser Rechtsprechungsänderung für ungevestete Optionen und die erwähnten Vesting-Cliffs. Jedenfalls hinsichtlich letzteren ergeben sich erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit, wenn der Mitarbeiter vor Ablauf dieser ersten Warteperiode aus dem Unternehmen ausscheidet und deswegen “leer” ausginge. Insoweit sollten existierende Regelungen auch dahingehend überprüft und die künftige Entwicklung in der Rechtsprechung beobachtet werden.
Entscheidung:
In Fortsetzung dieses neuen Ansatzes hat das BAG (Urteil vom 27.3.2025 – 8 AZR 63/24) außerdem entschieden, dass Leistungen aus einem virtuellen Optionsprogramm bei der Berechnung einer Karenzentschädigung berücksichtigt werden müssen, wenn die Optionen im noch laufenden Arbeitsverhältnis ausgeübt worden sind.
Wird dem Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auferlegt, muss sich der Arbeitgeber verpflichten, für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung an den Arbeitnehmer zu zahlen. Gegenüber Arbeitnehmern sind dabei die gesetzlichen Vorgaben, unter anderem von § 74 Abs. 2 HGB zur Mindesthöhe der Karenzentschädigung, zwingend. Sie muss demnach mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen betragen. Darunter fallen alle Leistungen mit Entgeltcharakter, also nicht nur das letzte Festgehalt, sondern auch Provisionen, Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen usw. Handelt es sich bei den Leistungen um Provisionen oder wechselnde Bezüge sind sie bei der Berechnung der Karenzentschädigung gemäß § 74b Abs. 2 HGB mit der durchschnittlichen Höhe über die letzten drei Jahre anzusetzen.
Bislang war ungeklärt, ob auch Leistungen aus (virtuellen) Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bei dieser Berechnung zu berücksichtigen sind. Mit der nun vertretenen Auffassung, es handele sich dabei um eine Gegenleistung für die vom jeweiligen Mitarbeiter erbrachten Arbeitstätigkeiten, sind sie aber fortan als vertragsmäßige Leistung im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB anzusehen.
Auswirkungen für die Praxis:
Hat der mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot belegte Mitarbeiter in den letzten drei Jahren vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Optionsrechte ausgeübt, so erhöhen sie die zu zahlende Karenzentschädigung – unter Umständen erheblich. Das BAG hält allerdings ausdrücklich fest, dass zwar schon gevestete, aber – mangels des Eintritts eines Ausübungsereignisses – noch nicht ausgeübte Optionen nicht darunterfallen.
Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber vor der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots genau prüfen, ob die damit einhergehende Karenzentschädigung das wirtschaftliche Risiko aufwiegt. Entscheidet man sich daraufhin für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist fortan regelmäßig zu kontrollieren, ob es zur Sicherung der Interessen des Arbeitgebers weiterhin geboten ist oder nicht stattdessen ein Verzicht in Betracht kommt.
Gestaltungsmöglichkeiten bei Geschäftsführeranstellungsverträgen nutzen:
Für Anstellungsverträge mit Geschäftsführern, die an einem Managerbeteiligungsprogramm teilnehmen, schafft die jüngste BAG-Entscheidung zusätzlichen Anreiz dafür, bei der Ausgestaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots besondere Vorsicht walten zu lassen. Anders als bei Arbeitnehmern besteht hier mehr vertragliche Gestaltungsfreiheit etwa hinsichtlich der Höhe und Bemessungskriterien einer Karenzentschädigung. Der oftmals gesehene, pauschale Verweis in Anstellungsverträgen auf die §§ 74 ff. HGB sollte wegen der nun zusätzlichen Risiken vermieden werden.
Gern unterstützen wir Sie bei der Einführung und Anpassung eines Beteiligungsprogramms für Ihr Unternehmen oder der rechtssicheren Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote.
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