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26.08.2025

Entgelttransparenzgesetz: Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Part 1 – Auskunftsansprüche

Die am 6. April 2023 in Kraft getretene europäische Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) soll die Lohngleichheit fördern. Sie zielt darauf ab, bestehende Entgeltunterschiede zwischen den Geschlechtern abzubauen und eine transparentere Gestaltung von Vergütungssystemen in den Mitgliedstaaten zu etablieren.

Die Mitgliedstaaten müssen die ETRL bis 07. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen. Die Umsetzung wird erhebliche Auswirkungen auf alle Unternehmen in Deutschland haben. Bislang gibt noch keinen Gesetzesentwurf zur Umsetzung. Nach dem Koalitionsvertrag soll eine Kommission eingesetzt werden, die bis Ende 2025 Vorschläge für die Umsetzung erarbeitet.

Die Richtlinie selbst steckt in Teilbereichen allerdings schon einen relativ engen rechtlichen Rahmen, sodass Folgen für Unternehmen bereits absehbar sind. Da die ETRL alle Unternehmen betrifft und einige zu tiefgreifenden Änderungen in der Vergütungsstruktur verpflichten wird, ist es ratsam, sich spätestens jetzt mit den Inhalten der ETRL vertraut zu machen und sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Wir begleiten Sie in den kommenden Beiträgen auf diesem Weg, stellen Ihnen die Inhalte der ETRL vor und geben Handlungsempfehlungen.

Ziele der Richtlinie: Mehr Gerechtigkeit im Entgelt

In diesem ersten Beitrag geben wir einen Überblick über die Ziele der ETRL und mit welchen Maßnahmen diese Ziele umgesetzt werden sollen.

Die Richtlinie zielt darauf ab, Lohnunterschiede aufzudecken und zu reduzieren. Es soll sichergestellt werden, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt wird – unabhängig vom Geschlecht. Dazu soll Transparenz hergestellt werden. Unklarheiten in Bezug auf den Begriff „gleichwertige Arbeit“ sollen beseitigt werden. Außerdem sollen Verfahrenshindernisse abgebaut werden. Betroffene Personen sollen einfacher ihre Rechte durchsetzen können.

Die ETRL gibt den Mitgliedsstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich entlohnt wird. In der Regel lässt sich noch leicht bewerten, was gleiche Arbeit ist. Unter welchen Voraussetzungen jedoch von gleichwertiger Arbeit auszugehen ist, ist nach wie vor weitgehend offen. Mit der Pflicht zum gleichen Entgelt für gleichwertige Arbeit ist bezweckt, Tätigkeiten anhand objektiver Kriterien zu vergleichen und damit sicherzustellen, dass Lohnungleichheiten durch “Unterbezahlung” in überwiegenden Berufen, in denen ein Geschlecht in der absoluten Mehrheit ist, aufzudecken und zu verhindern.

Arbeitgebende haben Entgeltstrukturen nach der ETRL so zu gestalten, dass sie auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien basieren, die den Wert der Arbeit beurteilen. Zu diesen Kriterien zählen insbesondere Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen. Auch andere für die konkrete Position relevante Faktoren können berücksichtigt werden. Nach der Rechtsprechung kann insbesondere die Berufserfahrung herangezogen werden. Die Kriterien dürfen weder unmittelbar noch mittelbar mit dem Geschlecht zusammenhängen und müssen diskriminierungsfrei angewendet werden. Das Entgeltsystem muss durchschaubar und nachvollziehbar sein. Entscheidend ist, dass auch diese gegebenenfalls weiteren Faktoren objektiv geschlechtsneutral sind, was auch bedeutet, dass subjektive Einschätzungen bei der Entgeltfindung nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Kriterien wie individuelles Verhandlungsgeschick oder die Vergütung des Vorgängers / der Vorgängerin sind nicht mehr zulässig, um Entgeltunterschiede zu rechtfertigen.

Der Begriff „Entgelt“ umfasst dabei nicht nur das Grundgehalt, sondern sämtliche Geld- und Sachleistungen wie Boni, Überstundenausgleich, Fahrvergünstigungen, Zuschüsse, Abfindungen, Krankengeld und Betriebsrenten. Jede Entgeltkomponente ist einzeln zu betrachten und muss anhand objektiver Kriterien gewährt werden. Auch tarifvertragliche Entgeltsysteme sind auf ihre Diskriminierungsfreiheit hin überprüfbar und müssen den Richtlinien entsprechen.

Fazit zu den Vorgaben

Nach der ETRL werden nur noch durchschaubare und nachvollziehbare Entgeltstrukturen möglich sein, die an objektive geschlechtsneutrale Kriterien anknüpfen. Subjektive Elemente sollten vermieden werden. Es empfiehlt sich für jedes Unternehmen das System, wie Entgelte gefunden werden, vor diesem Hintergrund auf den Prüfstand zu stellen. Der Einsatz analytischer Arbeitsbewertung kann dabei helfen. Dazu gibt es verschiedenen Prüfinstrumente und Hilfen wie die EVA-Liste. Damit können einzelne Verfahren der Arbeitsbewertung anhand ausgewählter Fragen auf Geschlechtsneutralität geprüft werden. Oder auch der Entgeltgleichheit-Check mit eg-check.de (an einer neuen online zugänglichen Variante wird gerade gearbeitet). Damit können verschiedenen Entgeltbestandteile wie das anforderungsbezogene Grundgehalt, Stufensteigerungen beim Grundgehalt, Leistungsvergütung, Überstundenvergütung und Erschwerniszuschläge überprüft werden.  Auch Dienstleister gibt es am Markt, die Arbeitsbewertungen und ein unternehmensweites grading von Stellen vornehmen.  Sofern noch nicht vorhanden, ist die Schaffung transparenter Entgeltstrukturen unerlässlich bspw. mit klaren Karrierestufen, Karrierepfaden, Jobfamilien, Karriere Levels und zugeordneten Vergütungen, wobei die Zuordnung auf einer objektiven Bewertungssystematik basieren sollte.

Die für die Entgeltfindung und -entwicklung maßgeblichen Kriterien sowie deren Anwendung sollten intern kommuniziert und dokumentiert werden, um die Nachvollziehbarkeit und Rechtfertigung von Entgeltunterschieden zu gewährleisten. Wo vorhanden, sollten die Kriterien für die Entgeltstrukturen und deren Anwendung mit den Arbeitnehmervertretern vereinbart werden.

Weitere Inhalte der ETRL sind Maßnahmen, die deutlich über die bisherigen deutschen Regelungen des EntgTranspG hinausgehen. Ein Teil der Maßnahmen soll helfen, bestehende Vergütungsstrukturen den Beschäftigten transparent zu machen. Die ETRL sieht dazu Informationspflichten gegenüber Bewerbern und Auskunftsansprüche der Beschäftigten vor. Dies besprechen wir in Teil 2 unserer Serie. Auch die Unternehmen sollen ihre Vergütungen gegenüber den Beschäftigten transparent machen und werden, ab einer Größe von 100 Mitarbeitenden zu einem Entgeltbericht verpflichtet. Sofern der Bericht Gehaltsunterschiede aufdeckt, kann sich nach der ETRL daraus die Pflicht zu einer Entgeltbewertung gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung ergeben. Drauf gehen wir in Teil 3 unserer Serie ein. Die ETRL ist kein zahnloser Tiger. Sie gibt den Mitgliedsstaaten einen Rahmen für Sanktionen gegenüber Unternehmen bei Verstößen gegen die Pflichten aus der ETRL vor. Weitere Regelungen erleichtern es Beschäftigten, Rechte aus der ETRL rechtlich durchzusetzen. Diese Themen werden Teil 4 unsere Serie beleuchtet.

Autoren: Karsten Matthieß (Fachanwalt für Arbeitsrecht) und Hanna Rehbein (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Kontakt

Karsten Matthieß

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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